Mittwoch, 3. September 2014
Ein schlechtes Gewissen
"Ich schaffs nicht mein Hirn auszuschalten - und ein Teil davon ist immer noch der Meinung, dass es falsch ist. Also falls du in der Lage bist es zum Schweigen zu bringen wär ich dir sehr dankbar..."

Was für eine SMS. Zur Erklärung: ich bin Herec, 1984 geboren und ich habe eine kleine Lebens-/Sinnkrise. Ich habe einen guten Beruf, verdiene durchschnittlich und bin depressiv. Derzeit suche ich mich selbst... irgendwie... und scheinbar glaube ich mich durch andere Frauen zu finden. Ich habe seit 2007 meine feste Freundin. Was heißt feste Freundin? Der Anfang nennt sich im heutigem Fachjargon On-Off-Beziehung. Wir haben uns ca. drei Mal getrennt und alle drei Male bin ich wieder zurück zu ihr.
Ich wollte mich nicht festlegen, mir meine Möglichkeiten im Leben offen halten, schließlich könnte man ja etwas verpassen.

"Man verpasst nichts im Leben, das Leben passiert." meinte einst ein lieber pensionierter Privatkunde, dem ich Nachhilfe bei der Computerbedienung gebe.

Also ich verpasse wohl nichts in meinem Leben. Meine Freundin und ich haben uns nachdem wir fest zusammen sind darauf geeinigt, dass es jedem frei steht sich Sexualpartner zu suchen, aber man muss ehrlich zueinander sein.
Das hätte ich mir noch vor Ihrer Zeit nicht vorstellen können. Ich wollte nie teilen, die Eifersucht hätte mich womöglich aufgefressen. Aber heute? Naja, es ist ein interessantes Gefühl Freiheiten zu haben und auch geben zu dürfen wenngleich es die ersten beiden Male, wo meine Freundin diese Möglichkeit genutzt hat ich etwas säuerlich war. Ich war mit beiden mehr oder weniger befreundet und es war schwer für mich das zu verarbeiten, jedoch wollte ich uns diese Freiheiten nicht nehmen.

Nun kommt S ins Spiel. Ich lernte sie über meinen Freund und Mitbewohner P kennen. Sie war seine Arbeitskollegin. Eines schönen Abends hat er sie zu uns spontan eingeladen.

Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben sollte, aber irgendwie fand ich diese Frau faszinierend. Sei es weil sie auch kifft, sei es ihre Art. Der Abend war sehr angenehm. Wir schauten uns "Zeit des Erwachsens" an und irgendwie hatte ich jedes Mal das Gefühl wenn der Joint zu mir kam, dass es immer eine Sekunde "zu lange" dauerte. Da mein Selbstbewusstsein aufgrund meines erneuten Übergewichts doch etwas leidet dachte ich mir, dass ich mir das vielleicht nur einbilde.

Ich bot ihr am besagtem Abend an, bei uns zu schlafen - im Wohnzimmer. Meine Freundin war außer Haus für eine Woche. Sie war auf einem LARP und hatte - wie ich dann erfuhr - Spass mit einem ihr unbekannten Deutschen. Keine Eifersucht, keine emotionale Verstimmung.
Egal, ich lud meinen Mitbewohner P zuvor schon zu einem Campingausflug ins Waldviertel ein. Wir mieten dort seit Jahren mit Freunden eine Insel auf einem Stausee und lassen die Seele dort baumeln. Keine Musik, keine Zeitung, kein Internet, kein Empfang. Er wusste noch nicht, ob er wirklich mitkommen wollte, doch ich schrieb auch mit S über Facebook und erzählte ihr von dem Gedanken. Ihr gefiel er so gut und wir überlegten uns falls mein Mitbewohner nicht mitkommen will ein Auto zu mieten.

"Was hast du eigentlich mit ihr vor? Was geht da?" fragte mich mein Mitbewohner mit einem leichten Lächeln im Gesicht.
"Keine Ahnung, mal schauen was geht bei ihr."
"Hey, das ist mein Tümpel in dem du da fischst."
"Ich kann nichts dafür, wenn auf einmal ein Fisch aus deinem Tümpel auf meine Couch springt." antwortete ich lachend.

Natürlich nehme ich Rücksicht auf seine Gefühle und wie hoch ist die reale Chance, dass zwischen S und mir je etwas passieren würde. Weiters hat P eine Freundin, mit der er nicht solch liberale Spielregeln hat, wie ich mit meiner Freundin.

Das Campingwochenende rückte immer näher. Es sah alles perfekt aus. P entschloss sich spontan Freitag nacht mitzukommen. S wollte nicht mit meiner Freundin und mir mitfahren, da sonst P erst Samstags losgefahren wäre.

Auf der Insel angekommen war der erste Abend aufgrund des sehr späten Erscheinens der beiden etwas festgefahren. Ich hatte bereits das Einverständnis meiner Freundin in der Tasche und sie schmiedete einen Plan nach dem anderen, wie ich zu meinem Glück kommen würde.

Es war ein toller Abend. Es wurde viel getrunken, viel geraucht und viel gelacht. Als es schon spät nachts war und S müde war und zurück zum Zelt gehen wollte, meinte P dass er noch am Lagerfeuer bei den anderen Inselbesuchern verweilen würde. Sie ging mit ihrem Handy als Taschenlampe Richtung Zelt. Leider hatte das Handy keine LED und so spendete nur der kleine Display schwaches Licht auf einer hügeligen und bewaldeten Insel.

Ich konnte sie so nicht gehen lassen und lief ihr kurze Zeit später nach um sie sicher zum Zelt zu bringen. Insgeheim erhoffte ich mal mit ihr alleine zu sprechen. Sie war sehr dankbar für meine Hilfsbereitschaft und ich leuchtete ihr noch beim Zähneputzen. Wir führten Smalltalk miteinander und als sie im Begriff war, sich ins Zelt zu begeben verabschiedeten wir uns mit Küsschen links, Küsschen rechts als ich plötzlich ihre Hand auf meinem Rücken sanft spürte. Schon wieder diese Sekunde zu lange. Ich war jedoch zu schüchtern und ging.

Zweite Nacht. Alle gingen erneut nach einer feucht-fröhlichen Runde langsam zu Bett. S lag auf einer Holzbank mit meiner Isomatte. Ich gesellte mich auf ihre Seite des Feuers. Nach einiger Zeit fragte sie mich, ob es mich denn stören würde, wenn sie ihren Kopf auf meinen Oberschenkel legen würde. Jackpot! Oder bilde ich mir das jetzt nur alles ein, weil ich es so sehen wollte?
Die Zeit verfloss wie im Fluge und schlussendlich blieben nur mehr wir beide am Feuer. Wir setzen uns auf ein Camping-Dreier-Sessel-Couch-Teil, ihr Kopf auf meinem Oberschenkel.

Was soll ich sagen? Als der letzte vom Feuer ging, griffen wir beide nach unseren Händen und streichelten die Hand des anderen zärtlich. Wir schauten uns immer wieder an, blickten dann gedankenverloren ins Feuer. Als ich merkte, dass sie immer wärmer wird, begannen wir unsere Streicheleinheiten auszuweiten.

"Nein, das geht nicht. Ich glaube, das ist eine blöde Idee." meinte sie kurz bevor wir uns küssten. Ich hielt überrascht inne und fragte was sie meint.

"Das ist falsch."
"Warum?"
"Fällt dir nichts ein."
Schweigen.
"Was ist eigentlich genau zwischen dir und P?" fragte ich.
"Da ist gar nichts, warum fragst du? Das fällt dir ein?"
"Achso, du meinst meine Freundin. Die ist einverstanden und hatte selbst er letzte Woche Spass mit einem Deutschen."

Erneut streichelten sich unsere Hände und dann ging alles ganz schnell. Leidenschaftliche Küsse, gekeuche. Nackte Haut gewärmt vom Schein des knisternden Lagerfeuer. Weg waren die Gedanken falls nun plötzlich einer der anderen Campern plötzlich zur Feuerstelle kommen würde. Es war überwältigend.

"Und, hast du sie gecheckt?" fragte mich meine Freundin, die bereits vor Stunden in unser Zelt ging, als ich zu später Stunde ins Zelt kam und sie dabei aufweckte.
"Ja."
"Stecher."

Wir gaben uns einen Gute-Nacht-Kuss und gingen zu Bett.

Wie es nun weitergeht? Keine Ahnung. Ich werde sie morgen zu mir nach Hause einladen und mit ihr darüber sprechen.

Und ich werde ihr noch von anderen vergleichbaren Erlebnissen dieses Sommers erzählen. Denn dies ist noch harmlos gewesen.

Valete!

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